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Tierversuche in der Schweiz

Die Tierschutzgesetzgebung in der Schweiz ist eine der strengsten weltweit. Tierversuche dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen. Für die Haltung der Versuchstiere gelten ebenso strikte Regeln wie für die Aus- und Weiterbildung der Forschenden, die mit Tieren arbeiten.

1. Strikte Schweizer Tierschutzgesetzgebung

Die universitäre Forschung und die Pharmaforschung erfüllen in der Schweiz die Auflagen einer der weltweit striktesten Tierschutzgesetzgebungen. Jeder einzelne Tierversuch und jede Haltung von Versuchstieren muss in der Schweiz vom jeweiligen kantonalen Veterinäramt bewilligt werden. Bevor Tierversuche durchgeführt werden, wird jedes Projekt zunächst intern geprüft. Danach werden die Studienunterlagen für die Gesuchsbewilligung an das zuständige kantonale Veterinäramt weitergeleitet. Die Forschenden müssen dabei im Gesuch darlegen, weshalb ein Tierversuch nötig ist, was der Nutzen des Versuchs ist und in welchem Masse die Tiere dabei belastet werden. Die Haltungsbedingungen für die Versuchstiere sind im Gesuch für eine Versuchsbewilligung ebenfalls auszuweisen. Die kantonale Tierversuchskommission, in der auch Vertreter des Tierschutzes sitzen, begutachtet das Gesuch, klärt Fragen mit den Forschenden und gibt eine Empfehlung zur Annahme (eventuell mit Auflagen) oder Ablehnung ab. Die Bewilligung erteilt schliesslich das kantonale Veterinäramt.

Für die Haltung der Labortiere sind artgerechte Lebensbedingungen und eine ständige Betreuung durch Fachpersonal gesetzlich vorgeschrieben. Ein Tierschutzbeauftragter und die zuständige Veterinärbehörde überprüfen regelmässig und teilweise auch unangemeldet, dass die Vorgaben für die Haltungsbedingungen in den genehmigten Projekten eingehalten werden. Auch die Wissenschaftler sind daran interessiert, dass die Tiere unter artgerechten Lebensbedingungen gehalten werden. Denn nur Studien an Tieren, die optimal gepflegt und behandelt werden und auch unter Studienbedingungen möglichst stressfrei bleiben, liefern aussagekräftige Ergebnisse. Jede Institution, welche Tierversuche durchführt, muss jährlich darüber Bericht erstatten, wie viele Tiere sie tatsächlich eingesetzt hat, um welche Tierarten es sich gehandelt hat, was der Zweck der Versuche und wie stark die Belastung der Tiere war.

2. 3R gesetzlich verankert

In der Schweiz sind Forschende dazu verpflichtet, Tierversuche auf ein Minimum zu beschränken und wenn immer möglich Alternativmethoden anstatt Tiermodelle zu verwenden. Die 3R-Prinzipien sind dabei gesetzlich verankert und müssen bei jedem Projekt berücksichtigt werden. Die pharmazeutische Industrie, Forschende, Versuchstierfachleute, der Bund, der Tierschutz und die Politik setzen sich seit über 30 Jahren für die Anwendung der 3R-Prinzipien ein. Die Gründung der Schweizer Stiftung Forschung 3R war 1987 Pionierarbeit. Im Jahr 2018 wurde sie vom nationalen 3R-Kompetenzzentrum (3RCC) abgelöst. Mit der erfolgreichen Förderung der 3R ist es gelungen, die Anzahl Tierversuche von rund 2 Millionen im Jahr 1983 auf unter 600 000 Tiere im Jahr 2018 zu senken und die Belastung der Tiere kontinuierlich zu reduzieren.

3. Vier Schweregrade

In der Schweiz werden Tierversuche in vier Belastungskategorien – die sogenannten Schweregrade – eingeteilt. Dabei entspricht Schweregrad 0 keiner Belastung für die Tiere. Ein Beispiel ist die Durchführung von Beobachtungsstudien. Fast die Hälfte der Versuchstiere in der Schweiz wird in Tierversuchen mit Schweregrad 0 eingesetzt. Schweregrad 1 entspricht einer leichten Belastung (z.B. Blutabnahme) und Schweregrad 2 einer mittleren Belastung (z.B. chirurgischer Eingriff unter Narkose). Schwer belastende Tierversuche (Schweregrad 3) werden nur bei schweren Krankheiten wie beispielsweise multipler Sklerose oder rheumatoider Arthritis angewandt. Solche Versuche werden auf ein Minimum reduziert und nur dann durchgeführt und bewilligt, wenn keine Alternativen vorhanden sind. In der Schweiz wurden im Jahr 2018 weniger als 3% aller Tierversuche dem Schweregrad 3 zugeteilt. 95% der Tiere in diesen Versuchen waren Mäuse und Ratten.

Die Zuteilung eines Schweregrads erfolgt immer vor Versuchsbeginn (prospektive Einteilung). Dabei müssen Forschende die höchstmögliche Belastung, die während eines Experimentes eintreffen könnte, angegeben. Nach dem Versuch werden die Experimente evaluiert und jedem Tier wird der Schweregrad zugewiesen, den es im Experiment tatsächlich erfahren hat (retrospektive Einteilung). Im Herbst 2018 veröffentlichte das Bundesamt für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit (BLV) neue Richtlinien für die prospektive Zuweisung des Schweregrades zu einem Tierversuch. Dabei wurde beispielsweise der Schweregrad für Versuche im Bereich der Hirnforschung (Neurodegeneration wie Parkinson) von 2 auf 3 heraufgesetzt.

4. Güterabwägung als Grundlage

Die Schweizer Tierschutzgesetzgebung erfordert bei jedem Tierversuch eine Güterabwägung. Um eine solche vornehmen zu können, müssen die involvierten Interessen und Zielsetzungen aller Betroffenen festgestellt und gegeneinander abgewogen werden. Es gilt abzuwägen, ob der erwartete Nutzen für die Gesellschaft grösser ist als die Belastung und die Verletzung der Würde der Tiere. Der Nutzen für die Gesellschaft kann dabei sehr unterschiedlich sein (z.B. Wirksamkeit neuer Medikamente, Toxizitätstest einer Substanz, Erkenntnisgewinn, bessere Haltungsbedingungen für Tiere etc.). In der angewandten Forschung ist der Nutzen meist klar ersichtlich. In der Grundlagenforschung hingegen ist es oftmals schwierig, einen direkten Nutzen aufzuzeigen. Doch nur wenn diese Grundlagen vorhanden sind, kann schliesslich angewandte Forschung betrieben werden.