Im Interview mit Dr. Jenny Sandström (3RCC)
«Wir treiben die 3R-Förderung für ein besseres Tierwohl in der Schweiz voran.»
Warum haben Sie sich entschieden, die Leitung anzutreten, und was sind Ihre Ziele?
JS: Ich hatte bereits einige Jahre im Forschungsmanagement des Schweizerischen Zentrums für Angewandte Humantoxikologie (SCAHT) gearbeitet und die vakante Direktorenstelle am 3RCC bot sich mir ideal an. Das 3R-Prinzip war ein zentraler Bestandteil meiner bisherigen Laufbahn als Forscherin – auch schon in den Forschungsprogrammen, die ich mit dem SCAHT weiterentwickeln durfte. Am 3RCC reizt mich, Einfluss auf die Schweizer Forschungslandschaft zu nehmen. Ich möchte einen starken Tierschutz und Fortschritte für eine bessere Wissenschaft Tierschutz erzielen. Die Organisation hat einen einzigartigen Aufbau mit einer sehr diversen internen Stakeholder-Struktur. Die bestehenden Kollaborationen kontinuierlich auszubauen und Lösungen zu finden mit einer breiten Wirkung, sind meine persönlichen Hauptziele.
Wie ist der Fortschritt der 3R-Strategie in der Schweiz?
Das 3RCC zu gründen, war ein wichtiger Schritt, um die Herausforderungen der 3R-Umsetzung in der Schweiz verstärkt anzugehen. Zwar hat die Stiftung 3R in der Vergangenheit viele qualitativ hochwertige Forschungsprojekte finanziert. Forschung allein ist aber nicht genug – Aufklärungsarbeit und Kommunikation sind ebenso wichtig. Die Komplexität der national koordinierten 3R-Förderung bedarf unserer Institution. Wir lernen von ausländischen Projekten wie dem NC3Rs in Grossbritannien. Dieses hat sich inzwischen erfolgreich etabliert, aber es braucht Zeit und Einsatz, um Fortschritte zu erzielen. Mit den Kompetenzen, dem Engagement und der Leidenschaft unseres Exekutivrats bin ich zuversichtlich, dass wir eine Menge erreichen können! Forschung im Jahr 2021 unterscheidet sich komplett von anno 1959, als das 3R-Prinzip zum ersten Mal beschrieben wurde. Das 3RCC zielt darauf, den Forschenden in der Schweiz die neusten wissenschaftlichen Trends und Entwicklungen besser zugänglich zu machen.
Warum sind Tiere so wichtig für die medizinische Forschung?
Obwohl das Wissen der globalen Forschungsgemeinschaft enorm gewachsen ist, müssen wir bescheiden bleiben: Wir wissen nämlich, dass wir ganz viel nicht wissen. Die Forschungsfrage leitet die Wahl des am besten geeigneten Modells zur Beantwortung der Frage, aber alle Forschungsmodelle haben ihre Grenzen. Wir haben enorme technologische Fortschritte auf dem Gebiet der In-vitro-Modelle gemacht, aber einige Fragen sind einfach zu vielschichtig, um sie mit Forschungsmodellen ohne den Einsatz von Tieren zu klären. Gegenwärtig kann die Komplexität des lebendigen Organismus künstlich nicht adäquat repliziert werden. Insbesondere weil Tierversuche in der biomedizinischen Forschung heute unerlässlich sind, suchen wir unermüdlich Alternativen zu Tierversuchen. Wir treiben daher die Entwicklung neuer, komplexer Methoden wie Organoide und Multi-Organ-on-a-Chip-Technologien kontinuierlich voran.
«Einige Fragen sind einfach zu vielschichtig, um sie mit Forschungsmodellen ohne den Einsatz von Tieren zu klären.»
Zielt das 3RCC also auf eine Einstellung der Forschung mit Tieren?
Wir müssen uns auf das 3R-Prinzip besinnen – ersetzen, wann immer möglich, wenn nicht, die Anzahl der Tiere reduzieren und die Belastung minimieren. Technologischer Fortschritt wird die Möglichkeit des Ersetzens laufend erweitern. Wir wollen die 3R-Förderung für ein besseres Tierwohl und eine bessere Wissenschaft in der Schweiz vorantreiben, indem wir die Denkweise ändern, eine gute 3R-Praxis sicherstellen und Netzwerke für die Wissenschaft aufbauen. Ich werde mich für eine strikte Anwendung des 3R-Prinzips einsetzen. Ein Verbot von Tierversuchen ist nicht Teil dieser Agenda.