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Gesundheit von Mensch und Tier gehört zusammen

Die COVID-19-Pandemie hat uns in Erinnerung gerufen, welch verheerende Folgen die Übertragung von Krankheitserregern von Tier auf Mensch haben kann. Unter Seuchen und Krankheiten leiden nicht zuletzt die Tiere selbst. Dem One-Health-Ansatz folgend brauchen sie eine gute Versorgung mit Medikamenten – zum Schutz der eigenen Gesundheit wie auch jener der Menschen.

1. Mensch und Tier leben in einer Symbiose

Menschen und Tiere teilen sich einen Lebensraum. Zwar sind in der Schweiz und vielen anderen hoch entwickelten Staaten die Zeiten vorbei, in denen Nutztiere fester Bestandteil von Haushalten waren und deren Überleben sicherstellten. Aber auch heute verbringen viele Menschen ihren Alltag in direktem Kontakt mit oder in der unmittelbaren Nähe von Tieren. Das sind nicht nur die Landwirte, die allein in der Schweiz mehrere Millionen Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen pflegen. Das sind auch die Menschen, die aus Leidenschaft reiten, oder all jene, die eine Katze, einen Hund oder ein anderes Haustier hegen und pflegen. Fast in jedem zweiten Schweizer Haushalt lebt mindestens ein Haustier. Von Zoos und Wildgehegen geht weiterhin eine grosse Faszination aus, für Kinder und Familien ganz besonders.

Menschen teilen den natürlichen Lebensraum mit Haus-, Nutz- oder Wildtieren. Tiere sind Weggefährten, vielerorts werden sie als Arbeitskraft und als Lieferanten tierischer Produkte genutzt. Das Nebeneinander von Mensch und Tier hat auch seine Schattenseite: Durch engen Kontakt können Krankheiten übertragen werden. Der Verlust natürlicher Lebensräume bzw. ungeeignete Formen der Tierhaltung begünstigen die Verbreitung von Krankheitserregern. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen verweist zudem auf den Klimawandel. Er sorgt dafür, dass Infektionskrankheiten, die durch Mücken und Zecken übertragen werden, immer weiter in die nördliche Hemisphäre vorrücken. Der Schutz der Tiergesundheit dient folglich nicht nur dem Erhalt der Tierbestände, sondern liegt auch im direkten Interesse der Menschen.

2. Tierkrankheiten bedrohen den Menschen

Wenn Tiere erkranken, dann sind sie zunächst selbst bedroht. In besonderem Mass gilt das für hoch ansteckende Seuchen, die mitunter ganze Tierbestände in kürzester Zeit dahinraffen. Rund ein Fünftel der Verluste in der Tierproduktion entstehen weltweit durch Seuchen. Eine bekannte Krankheit ist die bei Paarhufern auftretende Maul- und Klauenseuche. Sie ist eine der verheerendsten Viruserkrankungen landwirtschaftlicher Nutztiere. Die Krankheit ist hoch ansteckend und befällt meist alle Tiere einer Herde. Der Erreger – ein Virus der Gattung Aphthovirus – bleibt in Stallschmutz, Mist und Jauche mitunter mehrere Monate ansteckend. Ein anderes Beispiel ist die Klassische Schweinepest, die Schweine ebenso betrifft wie Wildschweine. Beide Krankheiten sind in der Schweiz verschwunden, verursachen weltweit aber erhebliche Schäden.

Tierseuchen befallen nicht nur Tiere, sie können auch für Menschen gefährlich werden. So schätzt die Weltgesundheitsorganisation, dass weltweit jedes Jahr 59 000 Menschen an Tollwut sterben, die meisten in Asien und Afrika. Krankheiten, die zwischen Mensch und Tier übertragen werden, werden unter der Bezeichnung Zoonosen zusammengefasst. Ein Beispiel ist die Vogelgrippe, unter Fachpersonen bekannt als hochpathogene aviäre Influenza (HPAI). Im Winter 2012/2013 waren europaweit in über 2 400 Betrieben fast 50 Millionen Tiere betroffen und mussten getötet werden. Immer wieder werden auch in der Schweiz infizierte Wildtiere gefunden, zum Beispiel bei Lachmöwen. Mit geeigneten Massnahmen wird eine Übertragung auf das Hausgeflügel bzw. auf den Menschen unterbunden.

Aus dem Radar Bulletin zur hochpathogenen aviären Influenza (HPAI)

Nach einer kurzen Pause hat sich die HPAI-Situation in Europa wieder verschlechtert. Sporadische Fälle bei Säugetieren, vor allem Fleischfressern, werden immer wieder gemeldet. Das Risiko für Geflügel ist für die nächsten Monate schwierig vorherzusagen. Das Risiko einer Übertragung auf den Menschen schätzen Expertinnen und Experten immer noch als tief ein. In der Schweiz laufen bereits seit mehreren Jahren Programme zur Überwachung der Schweineinfluenza bei Mensch und Schwein (SIV-Programme) und zum Monitoring der Wildtiergesundheit (Gesundheitsmonitoring Wild).

Quelle: BLV – Radar Bulletin

3. Gesundheit als «One Health» denken

Wissenschaftliche Auswertungen zeigen: Jedes Jahr werden beim Menschen fünf neue Infektionskrankheiten entdeckt. Die meisten Krankheiten, die beim Menschen neu oder zum wiederholten Mal auftreten, gehen von Tieren aus. Prominente Beispiele waren 2014 bis 2016 die bisher schwerste Ebolafieber-Epidemie in Westafrika, die vor zwanzig Jahren entdeckte Lungenkrankheit SARS und der Ausbruch von BSE («Rinderwahnsinn») in den frühen 1990er-Jahren in Grossbritannien. Vor diesem Hintergrund ist eine Zusammenarbeit von Veterinärmedizin, Humanmedizin und Umweltwissenschaften dringend geboten.

Für diesen ganzheitlichen Zugang hat sich die Bezeichnung «One Health» etabliert. Behörden und Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft arbeiten im Rahmen dieses Konzepts gemeinsam darauf hin, Zusammenhänge aufzudecken und mit geeigneten Massnahmen die Gesundheit von Mensch und Tier in einem intakten Ökosystem zu erhalten. Auf internationaler Ebene kooperieren die Weltorganisationen für Gesundheit (WHO), für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) und für Tiergesundheit (WOAH). In der Schweiz haben vier betroffene Bundesämter und weitere Partner 2017 die Plattform «One Health» etabliert. Ein historischer Vorläufer ist der US-Veterinärepidemiologe Calvin Schwabe, der 1964 mit dem Begriff «One Medicine» auf eine enge Kooperation von Tier- und Humanmedizin hinwirkte.

60 Prozent der Krankheitserreger beim Menschen stammen von Tieren.

5 neu entdeckte Infektionskrankheiten beim Menschen gibt es pro Jahr.

20 Prozent der Verluste der Tierproduktion entstehen weltweit durch Seuchen.

Quelle: Europäische Kommission, World Organisation for Animal Health

4. Medikamente dienen auch der Tiergesundheit

Im Zeichen von «One Health» stehen Massnahmen zur Gesundheitsüberwachung, zur Prävention, aber auch zur Behandlung von Krankheiten und Verletzungen. Eine wichtige Rolle spielt der Einsatz von medizinischen Wirkstoffen bei Tieren. Dazu gehören Impfstoffe, Antibiotika und weitere Medikamente zur Vorbeugung bzw. Behandlung von Infektionskrankheiten, aber auch Medikamente gegen Parasitenbefall, Entzündungen und Schmerzen. Wie differenziert das Angebot ist, zeigen beispielhaft die sogenannten «Big Five» (Schleifendiuretika, Pimobendan, ACE-Hemmer, Spironolacton, Amlodipin), die zur Herztherapie bei Hunden und Katzen eingesetzt werden. Nutztiere und Haustiere profitieren in der Schweiz von gegen 700 Präparaten.

Die Zulassung veterinärmedizinischer Wirkstoffe erfolgt wie in der Humanmedizin nach Prüfung durch die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic. Das gilt für Medikamente, die durch Tierärztinnen und Tierärzte verschrieben werden, aber auch für solche, die rezeptfrei erhältlich sind. Als Tierarzneimittel dienen oft Medikamente, die zuvor schon bei Menschen eingesetzt und dann für die Anwendung bei Tieren adaptiert wurden. Auf dem Weg profitieren auch Tiere von dem aufwendigen Prozess der Medikamentenentwicklung, der von der Grundlagenforschung über die präklinische Forschung (Labor- und Tierexperimente) bis zu klinischen Studien am Menschen führt. Der Entwicklungsprozess, der für einen neuen Wirkstoff im Durchschnitt zwölf Jahre dauert, gewährleistet, dass Medikamente wirksam, sicher und unbedenklich sind. Um dies zu gewährleisten, sind Tierversuche unerlässlich. Zum Schutz der Tiere gilt dabei das 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine): Tierversuche sind nur ethisch vertretbar, wenn keine anderen Methoden zur Verfügung stehen und Anzahl sowie die Belastung der Tiere auf das unerlässliche Mass beschränkt werden.

5. Veterinärmedizin profitiert von innovativen Wirkstoffen

Um das Tierwohl zu gewährleisten, werden Medikamente auch speziell für Tiere entwickelt. Ein aktuelles Beispiel ist ein Wirkstoff zur oralen Behandlung der bei Katzen auftretenden, tödlichen Infektionskrankheit FIP (feline infektiöse Peritonitis). So ergänzen immer neue Medikamente die Wirkstoffpalette zur Behandlung von Tieren, und die Einsatzgebiete werden immer differenzierter. Dazu zählen Präparate, die seit einigen Jahren zur Behandlung von Allergien verfügbar sind. Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurden Impfstoffe für Tiere entwickelt. Sie wurden auf Nerzfarmen eingesetzt, um Massenkeulungen zu vermeiden, ebenso zum Schutz bedrohter Zootiere. Die Innovationen, die aus der Entwicklung neuer Medikamente resultieren, kommen somit Menschen wie Tieren zugute.

Dass die Veterinärmedizin stetig von innovativen Medikamenten profitiert, zeigt ein Blick auf die aktuellen Zulassungen durch Swissmedic: Seit dem vergangenen Jahr stehen drei Tierarzneimittel zur Verfügung, die einen neu entwickelten Wirkstoff enthalten. Zwei der Wirkstoffe kommen bei Hunden zum Einsatz, nämlich zur Behandlung von schmerzhaften Gelenkentzündungen und von epileptischen Anfällen. Der dritte Wirkstoff zielt auf die Anwendung bei Nutztieren. Es handelt sich um ein Antibiotikum für Kühe mit einer bakteriell verursachten Entzündung der Euter. Auch Medikamente, die direkt für Tiere entwickelt wurden, werden vor ihrer Zulassung eingehend auf Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit geprüft. Dazu dienen unter anderem klinische Tierstudien, bei denen einer Tiergruppe der neue Wirkstoff und einer Vergleichsgruppe ein Placebo verabreicht wird. Dank der Studien können Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Dosierungsvorgaben ermittelt werden.

Zulassung von Medikamenten in der Human- und der Tiermedizin – Entwicklung 2012 bis 2022

Tierarzneimittel unterliegen einer strengen behördlichen Zulassung. Geprüft werden die Qualität, die Wirksamkeit und die Sicherheit. Die Sicherheitsprüfung umfasst die Sicherheit beim Zieltier, für den Anwender und die Umwelt. Bei Nutztieren wird darüber hinaus auch die Sicherheit für die erzeugten Nahrungsmittel geprüft.

6. Ausblick

Die Medizin hat dank neuer Medikamente grosse Fortschritte für Mensch und Tier erzielt. So sind etliche Infektionskrankheiten dank systematischer Impfungen heute kontrollierbar oder sogar ausgerottet. Dazu zählen die Hundestaupe, Parvovirusinfektionen bei Hund und Katze, die Leptospirose bei Hunden, die Rinderpest und die Influenza bei Pferden. Tierkrankheiten, die früher tödlich verliefen, sind heute behandelbar. Beispiele sind bei Hunden die häufige Hauterkrankung Demodicose oder Hundemalaria (Babesiose). Ein anderes Beispiel sind Wurmerkrankungen bei Wiederkäuern und Pferden.

Die Entwicklung neuer medizinischer Wirkstoffe ist ein langjähriger, minutiös regulierter Prozess. In dem Prozess sind Tierversuche unverzichtbar. Sie gewährleisten die Entwicklung neuer Medikamente,  die der Gesundheit der Menschen dienen, in vielen Fällen aber auch dem Wohl von Haus-, Nutz- und Wildtieren. Wer Tierversuche ablehnt, blockiert den medizinischen Fortschritt – zum Schaden von Mensch und Tier. Eine gute Tiergesundheit ist essenziell, und der Mensch profitiert davon in doppelter Hinsicht: indem weniger Krankheiten von Tieren auf den Menschen übertragen werden, aber auch durch eine erhöhte Sicherheit tierischer Lebensmittel wie Milch, Fleisch, Eier oder Honig.