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«Corona-Impfstoffe hätten ohne Tierversuche nie eine Zulassung erlangt.»

Im Interview mit Dr. René Buholzer

Was hat die Pharmaindustrie zur Bewältigung der Pandemie beigetragen?

Die forschende pharmazeutische Industrie hat im Engage- ment gegen die Pandemie Ausserordentliches beigetragen. Einerseits haben die Unternehmen innert kürzester Zeit Ressourcen in der Forschung und Entwicklung umgeleitet, wodurch an diversen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 geforscht werden konnte. Dies mit dem Resultat einer kompletten Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen. Durch den konstanten Aus- tausch mit der Schweizer Regierung liefen die Zulassungs- verfahren effizient ab. Zugleich haben die Pharmafirmen die Medikamentenversorgung und Patientensicherheit in der Schweiz zu jedem Zeitpunkt gewährleistet. Besonders anspruchsvoll waren die verknappten Ressourcen und er- schwerten Transportkapazitäten, die durch die Pandemie entstanden sind. Sehr erfreulich waren wiederum die vielzähligen Kooperationen auch mit akademischen Instituten.

Welche Rolle spielen Tierversuche in der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid-19?

Sie spielen eine essenzielle Rolle, denn die Bedingungen für die Zulassung eines Impfstoffs sind international harmonisiert, wobei Tierversuche regulatorisch vorgegeben sind. Bereits im März 2020 einigten sich die wichtigsten zwanzig Zulassungsbehörden, welche Daten für die Zulassung erhoben werden müssen. Dabei gilt festzuhalten, dass die sicherheitsrelevanten Prüfungen in beschleunigten Zulassungsverfahren von Impfstoffen nie für Zeitgewinne reduziert wurden und werden. Tiere wurden zweistufig in Tests eingesetzt.

Vor klinischen Versuchen wurden Impfstoffe jeweils an Ratten und Mäusen geprüft. In diesen ersten präklinischen Tierver- suchen eruierten die Forschenden, ob eine Immunantwort aus- gelöst wird und was die optimale Menge und Frequenz der Verabreichung des Impfstoffs ist. Anschliessend testeten Wissenschaftler die Impfstoffe jeweils auch an Rhesusaffen, weil diese auch menschenähnliche Symptome wie eine Lungenentzündung entwickeln können. Aus Transparenzgründen sind die Resultate präklinischer Studien jeweils öffentlich einsehbar. Zum Schutze des Menschen sind Tierversuche regulatorisch vorgegeben und ethisch verpflichtend. Corona-Impfstoffe wie diejenigen von Moderna und BioNTech/Pfizer hätten ohne Tier- versuche nie eine Zulassung erlangt.

Was haben Interpharma und ihre Mitglieder aus den Erfahrungen in der Pandemie gelernt?

Durch den globalen Wettlauf zur Entwicklung eines effektiven Impfstoffs erlebten wir einen Forschungsschub spezifisch im Bereich der Betacoronaviren und der viralen Infektionskrankheiten. Die rollenden Zulassungsverfahren der Pandemie zeigen Reformmöglichkeiten in den Zulassungsprozessen auf, denn verzögerte Zulassungen bedeuten primär einen schlechteren Zugang für Patienten zu Innovation. Zudem sind die Pharmaunternehmen auf tiefe internationale Handelshemmnisse und dadurch offene Grenzen angewiesen. Durch teilweise stark heruntergefahrene Ökonomien und Industrien fordert die globale Beschaffung und Lieferkettenbewirtschaftung die Pharmaindustrie besonders heraus. Im Inland wiederum sind sie von einem attraktiven Forschungs- und Wirtschaftsstandort abhängig.

«Die Patientensicherheit steht immer im Mittelpunkt.»

Die Schweiz muss ihre Attraktivität längerfristig sichern – dazu gehören steuerlich günstige Rahmenbedingungen, ein einfacher Zugang zu qualifizierten Fachkräften und die aktive Förderung von Innovation und Start-ups. Ferner ist die forschende pharmazeutische Industrie gewillt, mit dem Bund und den anderen Akteuren des Gesundheitswesens die Digitalisierung voranzutreiben. Denn qualitativ gute, anonymisierte Gesundheitsdaten erlauben die schnellere und präzisere Entwicklung von Medikamenten und Therapien und sind wesentlich für einen führenden schweizerischen Forschungsstandort in den kommenden Jahren.