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Auf dem Weg vom Zuchtbetrieb zum Labor steht das Tierwohl an erster Stelle

Tiere, die in der Schweiz für Tierversuche zum Einsatz kommen, werden in der Regel spezifisch zu diesem Zweck gezüchtet. Die Züchtung und Haltung der Labortiere, ihr Transport und ihr Eintreffen am Zielort sind streng reglementiert. Das Tierwohl steht dabei jederzeit an erster Stelle.

1. Einleitung

Die forschenden Pharmafirmen beziehen den grössten Teil der von ihr benötigten Versuchstiere von zertifizierten Zuchtbetrieben auf dem internationalen Markt – vor allem aus Europa. Je nach Forschungsziel müssen die in einer Studie eingesetzten Tiere ganz spezifische Merkmale aufweisen. Um die Streuung der Versuchsergebnisse und damit auch die Zahl der Versuchstiere zu reduzieren, werden die Tierversuche standardisiert. Die Standardisierung erfolgt bei den Haltungsbedingungen der Tiere (exogene Faktoren) sowie bei den Versuchstieren selbst (endogene Faktoren wie Alter, Geschlecht, Genotyp, physischer Zustand und Physiologie). Zusätzlich wird definiert, ob eine bestimmte genetische Veränderung erforderlich ist. Die Zusammenarbeit mit «Preferred Vendors» – bevorzugten Partnern – stellt sicher, dass eine bestimmte Qualität der Tiere vorhanden ist und die Spezifika eingehalten werden. Zentral ist auch eine Standardisierung des Gesundheitszustands der Tiere. Denn die Labortiere, die für Studien gezüchtet werden, müssen frei sein von Keimen und Erregern, die andere Tiere krank machen oder sich auf die Versuchsergebnisse auswirken können. Dies alles erfordert Erfahrung und Expertenwissen bei den Zuchtbetrieben und den forschenden Pharmaunternehmen.

2. Strenge Anforderungen für Unternehmen und Züchter

In der Schweiz und in ganz Europa müssen spezifische Bedingungen eingehalten werden, damit eine Forschungsinstitution oder ein Unternehmen Versuchstiere bestellen, halten oder züchten darf. Eine Haltungsbewilligung ist Grundvoraussetzung. Zuchtbetriebe gelten als Haltungsbetriebe. Sie müssen deshalb ähnliche Bedingungen erfüllen wie die forschenden Pharmaunternehmen oder andere Forschungsinstitutionen. Dabei geht es um strenge gesetzliche Auflagen an die Infrastruktur und an die technischen Einrichtungen wie Lüftung, Temperatur, Trinkwasserversorgung, Einstreu, Futter, Hygiene, aber auch an die Ausmasse, das Material oder die Beständigkeit der Käfige sowie die Ausbildung des Personals. Viele Pharmaunternehmen stellen über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinaus zusätzliche Anforderungen an die Züchter, wie z. B. «Environmental Enrichment», also Spielzeug, Klettermöglichkeiten oder erhöhte Aufenthaltsorte, die für das Wohl der Tiere zentral sind.

3. Regelmässige Inspektionen und Audits

In den europäischen Ländern werden aufgrund der allgemeingültigen europäischen und nationalen Gesetzesgrundlagen für die Haltung und das Züchten von Versuchstieren Inspektionen von den Behörden durchgeführt. Zusätzlich gibt es mit der AAALAC (Association for the Assessment and Accreditation of Laboratory Animals Care and Use) eine private, internationale Non-Profit-Organisation, die über freiwillige Bewertungs- und Akkreditierungsprogramme die humane Behandlung von Tieren in der Wissenschaft fördert. Viele Pharma- und Biotechnologieunternehmen, Universitäten, Krankenhäuser und andere Forschungsinstitute weltweit haben bereits eine AAALAC-Akkreditierung erlangt. Das heisst, sie sind AAALAC-zertifiziert und werden regelmässig auditiert. Die AAALAC-Akkreditierung sichert einen internationalen Standard, auf den sich Forschungsunternehmen verlassen können. Zusätzlich führen die forschenden Pharmaunternehmen von Interpharma selbst bei Züchtern, mit denen sie zusammenarbeiten, regelmässig Audits auf der Basis von umfassenden Checklisten (gemeinsame Audits, s. 10-Punkte-Charta S. 20 und Auditprozess S. 33) durch.

4. Der Transport erfolgt möglichst kurz und schonend

Wegen der strengen Auflagen in ganz Europa erfolgt eine stetige Konsolidierung zu grossen Zuchtunternehmen. Da es in der Schweiz heute keinen solchen Betrieb mehr gibt, stammen die Labortiere grösstenteils aus Frankreich, Deutschland, Dänemark und teilweise Italien. Seltener werden Labortiere aus den USA und Asien eingeführt. Für Europa sprechen die kürzeren Transportwege und damit die Minimierung des Risikos von Verzögerungen und weiteren Zwischenfällen. Um Stress und Erschöpfung der Tiere zu vermeiden, soll immer der am wenigsten belastende und kürzeste Transportweg erfolgen. In den meisten Fällen werden die Tiere deshalb mit klimatisierten Fahrzeugen – also auf der Strasse – transportiert. Dies ist für die Tiere angenehmer als ein Transport im Flugzeug. Falls ein interkontinentaler Transport stattfindet (Übersee), erfolgt dieser immer mit dem Flugzeug – wenn immer möglich in einem Direktflug ohne Zwischenstopp.

5. Minutiöse Planung mit erfahrenen Partnern

Vom Einquartieren in die Transportbehältnisse bis zur Ankunft am Zielort müssen Sender und Empfänger jeden Punkt detailliert planen und dabei sehr eng zusammenarbeiten. Alle nötigen Papiere sind frühzeitig zu bestimmen und zu komplettieren (Ausfuhr- und Einfuhrbewilligung, Gesundheitszeugnis eines Amtstierarztes ab Zuchtbetrieb, Deklarationen auf den Transportbehältern). Die in Frage kommenden Transportunternehmen sind darauf spezialisiert, Transporte mit Versuchstieren durchzuführen. Sie verfügen über entsprechende Fahrzeuge und standardisierte Transportbehälter. Wichtig ist, dass die Tiere über genügend Wasser und Futter verfügen – immer mit Reserve, falls es auf der Reise zu Verzögerungen kommt. Das Öffnen der Behälter während des Transports ist untersagt, da keine zusätzlichen Keime eindringen dürfen, die die Forschung beeinträchtigen könnten.

6. Strenge Reglementierung und Notfallpläne

Die Schweizer Tierschutzverordnung regelt die Tiertransporte streng. Sie spezifiziert die Verantwortlichkeiten für den Sender, den Transport und den Empfänger. Die Personen, die Transporte durchführen, müssen fachkundig und in Bezug auf die Bedingungen für den Versuchstiertransport geschult sein. Damit es am Zoll reibungslos funktioniert, gibt es sogenannte «Custom Broker», Verzollungsgesellschaften. Sie arbeiten mit den Transportunternehmen Hand in Hand. Bei komplexen Transporten kann auch der Grenztierarzt vorab informiert und involviert werden. Für Zwischenfälle wie Stau, Unfall, Unwetter, Feuer oder Erdbeben, aber auch für Situationen im Falle einer Pandemie, müssen die Transportunternehmen einen «Disaster Plan» haben, der beschreibt, was im Falle jedes Szenarios zu tun ist.

7. Am Zielort werden die Tiere eingewöhnt

Je nach Tierart, Herkunft und Hygienestandard gibt es unterschiedliche Regeln bei der Ankunft der Tiere am Zielort. Jedes Tier wird auf seinen Gesundheitsstatus kontrolliert. Fallweise (z. B. abhängig von Spezies, Hygienestatus, Gesundheitsstatus und innerbetrieblichen Anforderungen) wird eine Quarantäne notwendig, oder die Tiere werden direkt in den Haltungsbereich gebracht. Bei Auffälligkeiten oder Bedenken werden die Tiere auf Infektionserreger untersucht. Bei allen Tieren ist eine Akklimatisierungsphase von mindestens einer Woche Pflicht.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

1

Gesetze wie die übergreifende EU-Richtlinie 2010/63 des Europäischen Parlaments und des Rates «zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere» setzt Mindeststandards für die gesamte EU / den EWR. Die Länder haben basierend auf dieser Richtlinie ihre eigenen länderspezifische Gesetzgebungen erarbeitet, die über die Richtlinie hinaus gehen können.

2

In der Schweiz bilden das Tierschutzgesetz und die Tierschutzverordnung die rechtliche Basis für die Forschung am Tier. Die Schweizer Gesetzgebung gilt als eine der strengsten der Welt, die eine ethisch verantwortungsvolle Forschung fördert.

3

Der Transport von Labortieren ist ebenfalls in der Tierschutzverordnung geregelt. Zusätzlich publiziert auch die International Air Transport Association (IATA) jedes Jahr Regulierungen für Tiertransporte. Dort wird auch klar spezifiziert, wie welche Tierart verpackt werden muss (Grösse der Transportbehältnisse etc.).

8. Viele Fortschritte dank Versuchen am Tier

Tierversuche dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn sie für die Klärung von bislang ungeklärten Fragen unverzichtbar sind. Sie sind Teil der Grundlagenforschung und bei der Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapien gesetzlich vorgeschrieben (präklinische Forschung). Ihre Absicht ist nicht nur, konkrete Anwendungen zu schaffen, sondern Wissen zu generieren, das in die Entwicklung von innovativen Medikamenten und Therapien einfliessen kann. Anders gesagt: Studien und Experimente mit Tieren tragen dazu bei, das Wissen über die Natur zu mehren. Sie helfen uns, die Entstehung von Krankheiten besser zu verstehen. Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse aus den Tierversuchen auf den Menschen ist genügend gross, um auf Wirkprinzipien und schädliche Wirkungen zu schliessen. Dass die Arbeit mit Versuchstieren einen grossen Beitrag daran leistet, neue medizinische Behandlungsmethoden zu entwickeln, steht ausser Frage. So können heute rund 80 Prozent der an Leukämie erkrankten Kinder dank Forschung und dem Einsatz von Tierversuchen geheilt werden. Jüngstes Beispiel ist die schnelle und erfolgreiche Entwicklung diverser Covid-19-Impfstoffe.