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Die Animal Welfare Serie

Vier Beispiele: Wie Tierversuche und Alternativmethoden im Entwicklungsprozess von Therapien gegen schwere Krankheiten Hand in Hand gehen

Folge 1

Hoffnung für Betroffene mit seltener Erkrankung – neue Therapieansätze auch dank Forschung am Tier

Das Timothy-Syndrom ist eine seltene genetische Erkrankung, die durch eine Mutation eines Gens verursacht wird. Diese Mutation verhindert, dass bestimmte Kalziumkanäle in Zellen richtig schliessen. Dadurch wird die Kommunikation zwischen Nervenzellen, Herzmuskelzellen und anderen Zelltypen gestört, was zu Herzproblemen, Autismus und Epilepsie führt. Dank neuer Forschungsansätze gibt es jedoch Hoffnung auf eine wirksame Therapie.

Forschung am Timothy-Syndrom hilft auch bei anderen neurologischen Krankheiten

Die Forschung zu dieser Erkrankung trägt nicht nur zur Entwicklung einer gezielten Therapie für Betroffene bei, sondern liefert auch wertvolle Erkenntnisse für andere neurologische Krankheiten. Dies zeigt die Arbeit des Wissenschaftlers Sergiu P. Pașca und seines Teams an der Stanford University. Nach 13 Jahren Forschung entwickelten sie eine Methode, um mit Gehirnorganoiden – das sind Miniatur-Hirnstrukturen aus menschlichen Stammzellen – die fehlerhafte Funktion der Kalziumkanäle wiederherzustellen. Erste Erfolge wurden zunächst in einfachen Zellen im Labor, anschliessend in komplexen «mini-Gehirnen» (Organoiden) im Labor und nach der Transplantation dieser Organoide in das Gehirn von Ratten gezeigt.

Von Zellkulturen zu Organoiden

Pașcas Forschung begann 2009, als er Nervenzellen aus Hautzellen von Timothy-Syndrom-Patienten züchtete. Damit konnten erstmals Defekte im Labor sichtbar gemacht werden, jedoch nur in einer flachen Zellkultur. Um realistischere Modelle zu schaffen, entwickelte das Team dreidimensionale Gehirnorganoide («mini-Gehirne»), die Aspekte der menschlichen Gehirnentwicklung nachahmen.

Neue Therapieform zeigt erste Erfolge

Das Team testete eine neue Therapieform. Damit könnte die Genmutation des Timothy-Syndroms teilweise rückgängig gemacht werden. In Experimenten mit Organoiden funktionierte das: Die Aktivität der Kalziumkanäle normalisierte sich. Diese Ergebnisse zeigen das Potenzial dieser Therapie für Betroffene.

Warum Tierversuche notwendig waren

Bevor eine Therapie für Menschen zugelassen wird, muss bewiesen sein, dass die Therapie sicher und wirksam ist. Dazu ist es heute noch notwendig sie in einem lebenden Organismus zu testen. Deshalb transplantierten Forschende menschliche Organoide in neugeborene Ratten und verabreichten ihnen die neue Therapie. Die Ergebnisse waren vielversprechend. Es konnten die gleichen positiven Effekte beobachtet werden, wie in den Organoiden. Die Tierversuche hatten zwei Hauptzwecke. Erstens konnte untersucht werden, wie sich menschliche Gehirnzellen in einem lebenden Gehirn verhalten und zweitens, ob die Behandlung auch in einem komplexen Organismus wirkt und gut verträglich ist.

Die Forschung kombiniert moderne Alternativmethoden mit notwendigen Tierversuchen, um eine neue Therapie für das Timothy-Syndrom und ähnliche Krankheiten zu entwickeln – und den Einsatz von Tierversuchen auf das nötige Minimum zu beschränken.

Weiterführende Informationen:

Abbildung: Von der Stammzellkultur bis zur Transplantation des Organoids in den lebenden Organismus

Tierversuche sind in der biomedizinischen Forschung oft unerlässlich, um die Sicherheit und Wirksamkeit neuer Therapien zu beurteilen. Sie bieten Einblicke in die komplexen Wechselwirkungen innerhalb eines lebenden Organismus, die in Alternativmethoden allein nicht erfasst werden können. Die Forschung entwickelt zunehmend alternative Methoden wie Organoide, um den Einsatz von Tieren immer weiter zu reduzieren.